Motivation - warum macht man sowas?

Moin



Oh, stimmt, ich lauf ja nicht mehr. Arthrose. Warum also Motivation? Ach, ich wollte einfach hier mal wieder was schreiben und ich werde immer mal wieder gefragt, ob ich es, jetzt wo die Knochen hin sind, nicht bereue, dass ich gelaufen bin. Also zunächst mal: Nö, bereue ich nicht. Aber ich frage mich in den Momenten, warum biste eigentlich? Was war wirklich der Antrieb. Und besonders, wenn was fehlt wird klar warum es fehlt. Und auch warum man es getan hat.
Warum also bin ich raus? Warum bin ich gelaufen? Was war mein Antrieb? Meine Motivation?
Spannungsbogen. Wenn ich jetzt direkt antworte ist doch doof. Also ein bisschen mehr zu den Wid-rigkeiten. Ehrlich. An so einem Tag wie heute. Wo ich das Schreibe. Januar. Sturm. Regen. Wenige Grade (Celsius! Nicht Kelvin! Keine Sorge!). Also an einem solchen Tag. Wo kam da die Motivation her. Warmes Wohnzimmer. Gutes Buch, nettes Fernsehprogram, weiches Sofa.. alles, ja wirklich alles müsste doch netter sein, als in dünnen Laufklamotten in die Kälte zu stapfen. Wasser in den Augen, eiskalte Füße nach wenigen Metern. Klamme Finger. Ach, wirklich. Maso oder was?
Oder anders. Sommer. Lauer Abend. Liege im Garten. Die Kinder toben. Die Mezzo ist kalt. Ge-nauso blöd, oder? Da ist doch der Bleisack im Popo genauso dick. Eigentlich schon. Eigentlich immer. Weil, zumindest bei mir, die ersten Schritte, das loslaufen, das war immer ein Schritt. Also kein inneres Muss. Es war der Kopf der sagte: eh, wär mal wieder so-weit. Dann kamen all die schönen, man könnte ja auch Dinge. Aber mein Kopf beharrte auf einem: eh, wär mal wieder soweit. Der Kopf war nämlich fies. Anders als mein lascher Körper erinnerte er sich an das was passiert, wenn die ersten Schritte getan waren. Das zwicken hier und dort wich einem, ach wie herrlich. Und diese ach wie herrlich kam. Es kam mit Wind in den Haaren, es kam mit Eiskristallen im Gesicht, mit Schneematsch und Eisbrühe im Schuh, es kam mit Salzgeschmack vom Schweiß auf den Lippen, es kam mit Staub und Dreck im Gesicht… es kam so zuverlässig wie nur irgendwas.
Und das Wissen um diesen Effekt, den mein Kopf gespeichert hatte, dieser Effekt, dieses Gefühl, das hat immer gesiegt. Ich bin immer wieder losgelaufen. Weil ich wusste es ist schön.
Fertig? Motivation erklärt. Fein. Oder?
Oder nicht. Loslaufen. Nun ist klar warum ich loslief. Bei jedem Wetter. Aber warum lief ich weiter? Also ganz weit. Ok, nicht so weit wie andere, aber weiter als mancher. Denn, da bin ich ehrlich, das eben beschriebene Gefühl, dass kam so sicher wie es auch wieder ging. Wann es ging, war abhän-gig von Tagesform, Wetter und dem Universum und dem ganzen Rest.
Es ging irgendwann, wenn Erschöpfung und Zeit Ihren Dienst antraten. Wenn die ersten 20, 30,40,50…km hinter mir lagen. Die Blase am Fuß einen längeren Dialog mit dem Schmerzzentrum geführt hat, der Magen den x-ten Gel-Blubber mit einem "Örks" quittierte, die Zwischenzeit selbst im Leistungszentrum der Rennschnecken für Kopfschütteln sorgte. Irgendwann dann, dann war dieses, herrlich zu laufen weg. Sofa, Buch, Liege. Egal. Alles schien dann besser. Warum nur war ich so dämlich wieder mal losgelaufen zu sein. Ja. So ging das dann im Kopf. Kurz. Aber diesen Moment gab es, bei längeren Läufen, so sicher wie man über Religion streiten kann. Moment? Also mal ehrlich. Mit Aua, unglücklichem Magen und noch weiteren 50km vor der Nase, wieso da Moment?
Moment weil die Motivation nur kurz pinkeln war. Aber sie kam zurück. Immer. Selbst in den Mo-menten wo ich mal ein DNF hatte, war es nicht Schuld der Motivation. Es war ein Abbruch aus der Einsicht, dass der Körper es heute nicht schaffen wird, oder ein Besenwagen der schneller war. Aber nie war es mangelnde Motivation. Denn selbst mit einer Blase (siehe Dodentocht die Erste) die komplett die Ferse freigelegt hat (da-mals waren es ab da aber nur noch 40km) war die Motivation nicht weg. Und eigentlich war das für mich immer das größte Phänomen. Warum blieb das? Ist doch irre. Ich meine wirklich, die Ferse, das tat weh, das zwickte böse. Und es sah auch wirklich erbärmlich aus wie ich nach einer Pause die ersten Weidwunden Schritte versuchte. Aber ich versuchte. Nein ich versuchte nicht, ich tat. Ich ging. Ich wusste ich will gehen. Will laufen. Will ankommen. Trotz Aua. Trotz Regen. Trotz Kälte. Trotz letztem Platz.
Woher kam das? Warum? Schwer zu erklären. Viele wollen eine Zeit. Eine gute sollte ich sagen. Weil eine zeit gibt's ja immer. Also zumindest wenn man nicht ein DNF macht. Dann gibt es eine Zeit. Die eigene nämlich. Und die ist zunächst mal gut. Gut, weil es eine gab. Weil man angekom-men ist. Dorthin wo man hinwollte als man loslief. Für mich immer ein tolles Gefühl. Und zwar un-abhängig davon ob andere auch Zeiten hatten. Meist hatten die nämlich. Und zwar bessere. Ich war ja nicht umsonst der Schlussläufer. Ich habe mich nicht mit anderen gemessen. Ich bin gern mit anderen gelaufen. Aber wenn der Punkt kam wo ich langsamer wurde, dann liefen die anderen davon. Keine Trauer bei mir. Außer vielleicht um den Verlust eines Gesprächspartners. Auch kein Triumph nach außen oder innen, wenn ich es mal war der schneller war. Also nicht das das oft ge-wesen wäre. Aber ich erinnere mich auch an solche Momente.
Also ich war froh über das Erreichen des Ziel. Egal wann. Und damit war ich auch immer motiviert das Ziel zu erreichen, weil ich mich gern freue. Ich stand nicht im Ziel und fing sofort das zetern an. Wäre am Berg x nicht das Gatter zu gewesen, dann… wenn nicht die Temperatur so hoch gewe-sen wäre, dann…. Wenn nicht… egal. Ich bin doch gelaufen. Meinen Lauf. Ggf. mit Gatter. Mit Matsch. Mit Temperatur. Meinen Lauf. Ich bin im Ziel angekommen. Ich. Fertig. Fertig und Froh. Froh fertig zu sein. Mit dem Lauf. Mit dem Aua und überhaupt.
So war das im Ziel. Und ganz ehrlich. Mir fehlt das. Mir fehlt das sehr. Ich könnte heulen so sehr fehlt es mir erschöpft im Ziel anzukommen. Denn diese Erschöpfung. Dieses Laufen, die Zwiesprache zwischen Körper und Kopf, die Selbst-gespräche, die Entscheidungen, die Beurteilung des inneren Zustandes, das reflektieren über die bereits gewesenen km, die Aussichten, die Prognosen über das was kommt. Dieser Innere Dialog. Ja, das liebte ich. Meine Gedanken waren ständig an. Es blubberte und sprudelte. Ich dachte nach über den Lauf. Das Leben. Machte Pläne. Reflektierte. Ich lebte. Ich war wach, selbst wenn ich müde war. Ich lief, ging, humpelte, aber ich lebte und bewegte Dinge in meinem Kopf. Ja das tue ich auch im Bett beim Einschlafen, aber anders. Beim Laufen war es anders. Intensiver. Das fehlt mir. Ich habe noch keinen Ersatz gefunden.
Aber ich weiß jetzt warum ich lief. Warum ich immer wieder lief. Warum ich auch dann noch lief, wenn der eine oder andere Muskel schon wiederholt um Pause gebettelt hatte. Warum ich noch lief, wenn ich den Sound des Besenwagens schon hörte, oder er mich sogar schon überholt hatte. Ich lief weil ich es mochte. Weil ich die Gedanken liebte. Die innere Unruhe in der äußeren Er-schöpfung. Den wachen Geist in einem laschen Körper.
Da war es auch egal, ob es mal zwickte. Die Gedanken sind zwickfrei. Die können sogar endlose Diskussionen darüber mit sich selbst führen ob es sinnvoll ist mit Zwicken noch zu laufen. Das kann man herrlich von links, rechts oben und unten oder hüpfend von Diagonal nach schräg be-trachten. Und während man so betrachtet, abwägt und verwirft, läuft man und schwubs ist man im Ziel. Mit der eigenen Zeit. Und dem Ziel im Arm. Wow. So war das.
Ich liebte das Laufen!